Die Taschensonnenuhr vom Fundort Hilgartsberg ist ein vielfältiger Weise außergewöhnliches Objekt, das eine über die ‚bloße‘ Digitalisierung (im Sinne einer Wiedergabe) hinausgehende Bearbeitung verdient und Potential für ein ganzes Projekt bietet.
Daher wird die Objektanalyse im Rahmen dieses Blogs in mehrere Teile (I, II, …) gegliedert.
Es handelt es sich um eine spätmittelalterliche Reise- bzw. Taschensonnenuhr, genauer um den Stundenring einer solchen, vergleichbar mit dem Ziffernblatt einer (modernen) Armband- oder Taschenuhr, von ca. 4,2 cm Durchmesser. Es vereinen sich in der Analyse dieses Objekts diverse Bereiche: zunächst, was die technische Seite bzw. Digitalisierung angeht, lassen sich am Objekt optimal die Vorzüge der RTI-Methode demonstrieren:
In der RTI -Datei wird die Oberflächenbearbeitung bzw. Beschriftung um vieles besser ablesbar, als mit bloßem Auge oder mithilfe eines Mikroskops, Lupe o.ä.. Feinste Berabeitungsspuren werden sichtbar, die wiederum Hinweise auf Benutzung und Herstellungsprozess geben.
Weiterhin bietet sich ein Methodenvergleich an, d.h. hier eine Gegenüberstellung des 2,5-D – RTI-Digitalisats zu einem vollplastischen 3D-Modell. Letzteres wiederum ruft den Gedanken wach, aufbauend auf einem 3D-Modell ein Funktionsmodell der Sonnenuhr zu erstellen, das in mit Hilfe eines Grafik-Programms die Funktiosweise der Uhr räumlich und in Bewegung visualisiert.
Inspiration hierzu lieferte ein Visualiserungs- und Rekonstruktionsprojekt zur Digitalisierung der Materialität mittelalterlicher Objekte auf https://mittelalter.hypotheses.org/ , wo mittels einer Rekonstruktion eines Astrolabiums in der Opensource 3D-Software Blender auf Basis einer Zeichung in einem Manuskript des 12. Jh den Fragen nach Konstruktion und Nutzung des Geräts auf den Grund gegangen wurde.
Video mit der Rekonstruktion im Rahmen der Ausstellung „Geheimnis – Herrschaft – Wissen: Forscherdrang hessischer Landgrafen.“ 2017, Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt. (Michael Schonhardt, Lizenz: CC BY-SA 4.0)
Schon nach diesem kurzen Überblick lässt sich festhalten: Harry Potters Timeturner kann einpacken – denn die ‚Zeitreise‘, die die Hilgartsberger Taschensonnenuhr ermöglicht, hat einen großen Vorteil: Sie ist echt, denn das Objekt existiert tatsächlich 😉
Die Zeit, in die man mit der Hilgartsberger Taschensonnenuhr reist, ist die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts – eine außerordentlich spannende, dichte und vielschichtige Zeit, die zu fassen nach wie vor Schwierigkeiten bereitet: Renaissance? Mittelater? weder noch? Insgesamt spricht das umso mehr für das Potential das in der Erforschung dieser Zeit steckt, und hierein passt die Hilgartsbrger Sonnenuhr ideal. Zu den Details, zunächst einer genauen Objektbeschreibung, Datierungsvorschlag und höchst interessanten Vergleichsobjekten, mehr im nächsten Beitrags – Teil II.