Photogrammetrie – Aufnahme und Dokumentation Terrakotta-Büste aus Schloss Neuburg am Inn, Kat. Nr. 255

A) Objekt, Kurzbeschreibung und Kontext

Büste von Unbekannt
Material:  Terrakotta
Maße: ca. 60 cm (Gesamthöhe) x 35 cm (Schulterbreite)
Datierung: 17. Jh.

Die Büste weist einige Schäden an der Oberfläche auf. Vom rechten Auge abwärts zieht sich ein Riss die gesamte Nasenlänge bis zum Nasenflügel hinunter. Zwischen den Augenbrauen und am Kinn ist je ein größeres an der Nasenspitze ein kleineres Stück Ton abgesprungen. Auch am Lorbeerkranz sind ein paar Blätter abgebrochen. Über die gesamte Figur verteilt finden sich noch weitere kleinere Risse und Sprünge.

Über den Kontext der Figur ist nur wenig bekannt. Groeschel (vgl. 1924: 104) verzeichnet die Büste in der 20. Ausgabe der Monatsschrift des bayerischen Landesvereins für Heimatschutz. Darin datiert er sie auf das 17. Jahrhundert und bezeichnet sie zudem als eine „Phantasiebüste“. Sie würde damit keine reale historische Persönlichkeit darstellen. Passend zur Datierung der Büste scheint sie in der Tradition der Antikenrezeption der Renaissance zu stehen. Die Spätphase dieser Epoche reichte bis in die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts hinein (vgl. Landfester 2014: XI). Die epochentypischen Stilelemente können aber natürlich noch länger nachgewirkt haben, zumal die Kunst der Antike auch in der Folgeepoche, dem Barock, weiterhin als Vorbild diente (vgl. Duchhardt, Schnettger 2015: 55). Ein derartiger Rückgriff auf die Antike zeigt sich bei der vorliegenden Büste z. B. im deutlich erkennbaren Lorbeerkranz. Dieser war bereits in der griechischen und römischen Mythologie ein Symbol für den Sieg und Attribut z. B. des höchsten Gottes Jupiter. Aufgrund dieser hohen Bedeutung wurden damit u. a. Dichter, Sportler und Feldherren für ihre herausragenden Leistungen geehrt. Dies spiegelte sich auch in den Darstellungen bekannter Persönlichkeiten auf antiken Münzen und eben auch Büsten wider. In der Renaissance wurde der Lorbeerkranz auch noch in ähnlicher Bedeutung als Anerkennung höchster geistiger Leistungen verwendet. Die Abgebildeten wurden damit — in Anlehnung an die Antike —ikonographisch als „poetae laureati“, als gekrönte Dichter, gekennzeichnet (vgl. Landfester 2014: 20 und 212).

Im 17. Jahrhundert war das Schloss Neuburg zunächst im Besitz der Grafen von Salm. Diese verarmten allerdings während des 30-jährigen Krieges und verkauften die Burg 1654 an Georg Ludwig von Sinzendorf. Nachdem dieser wegen Hochverrats angeklagt wurde, übernahm die Burg Kaiser Leopold I., der sie 1698 an den Schotten Jakob von Hamilton weitergab (vgl. Mitterwieser 1924: 145). Unter welchem dieser Burgherren die Büste gefertigt wurde und ob sie vielleicht sogar einen davon darstellt, ist nicht bekannt.

B) Aufnahme

Ort, Zeit, Personal:
Die zur Erstellung des 3D-Models nötigen Aufnahmen wurden im Rahmen des Kurses „Kulturgut in 3D“ am 26.01.2018 im Ausstellungsraum des Schlosses Neuburg angefertigt. Dabei waren 6 Teilnehmer und 2 Dozenten anwesend.

Aufnahmesituation:
Der Ausstellungsraum wird durch Deckenlampen beleuchtet.

Kamera: Canon EOS 100D, Objektiv: Sigma Zoomobjektiv 18-50 mm, verwendete Brennweite 32-33 mm (siehe Anmerkung)

Kameraeinstellungen:
ISO 100, Blendenzahl F29, Belichtungszeit 1/2 s
Kameramodus: manuell
Datenformat: jpeg
Auflösung: 72 dpi / 5184×3456 Pixel
Fokussierung: Autofokus

Aufbau:
Die Büste wurde auf einen weißen, etwa 60 cm hohen Quader gestellt. Eine Softbox-Studioleuchte oberhalb und zwei LED-Panels rechts und links des Objekts sorgten für die nötige Ausleuchtung (siehe Abb. 1). Die Kamera wurde auf einem Stativ befestigt, das für die unterschiedlichen Aufnahmepositionen jeweils manuell verstellt wurde.

Vorgehen bei der Bildgewinnung:
Es wurde nach dem für Photogrammetrie-Aufnahmen üblichen Schema vorgegangen.

Verteilt auf fünf Höhenstufen wurden je zwischen 16 und 19 Fotos in einer Kreisbewegung um das Objekt herum geschossen. Auf den fünf Höhenebenen wurden insgesamt 93 Fotos angefertigt, von denen drei gelöscht wurden, weil das Stativ und die Kamera einen deutlichen Schatten auf das Objekt warfen. Zusätzlich wurden 23 Detailaufnahmen vom Kopf und den Schulterpartien angefertigt, von denen 20 verwendet wurden. Für die Modellerstellung sind demnach 110 brauchbare Bilder entstanden.

Abb. 1: Beleuchtungsaufbau

Abb. 2: Frontale Aufnahme aus der zweitniedrigsten Höhenstufe.

Anmerkung: Beginnend mit der ersten Aufnahme auf der fünften Höhenstufe wurde die Brennweite ausversehen von 32 mm auf 33 mm verstellt. Vermutlich kam dies zustande, weil die Kamera leicht nach unten geneigt werden musste, um die Oberseite des Kopfes zu fotografieren. Es hätte besser ein Objektiv mit Festbrennweite verwendet werden sollen, so wie nach mir Sebastian Belt bei seiner Büste.

C) Modellerstellung
Verwendete Software, Version: Agisoft, v1.3.2.
Anzahl der Aufnahmen für das zu erstellende Modell: 110 (von 116)
Nachbearbeitung der Bilder: 6 unscharfe Bilder oder Bilder mit deutlich erkennbarem Schattenwurf wurden vor der Modellerstellung gelöscht.
Nachjustierungen während des Erstellens in der Software: keine

Das Modell wurde am Rechner des Lehrstuhls für Digital Humanities im dortigen „Digital Cultures Lab“ berechnet. Nach der Fertigstellung der Point Cloud (Abb. 3) fiel auf, dass darin die Unterseiten der Schultern jeweils ein recht großes Loch aufwiesen. Zunächst habe ich befürchtet, dass ich diesen Teil der Büste nicht ausreichend abgedeckt habe, da ich ihn nur frontal und schräg von oben nicht aber von unten fotografiert habe. Unterhalb der Schulter befindet nämlich ein stark schattierter Bereich, für den eigentlich genauere Detailfotos nötig gewesen werden. In der darauf aufbauenden Dense Cloud (Abb. 4) waren diese Löcher allerdings bereits größtenteils – bis auf kleinere Lücken an den Rändern – geschlossen. Im endgültigen texturierten Modell (Abb. 5) waren sie komplett verschwunden.

Abb. 3: Schulter, Point Cloud

Abb. 4: Schulter, Dense Cloud

Abb. 5: Schulter, texturiertes Modell

 

Literatur

Duchhardt, Heinz / Schnettger, Matthias (2015): Barock und Aufklärung. Bd. v.11. 5. Aufl. Berlin/Boston: De Gruyter.

Groeschel, Julius M. (1924): Verzeichnis der Sammlung bau- und kunstgeschichtlicher Funde auf Schloß Neuburg am Inn. In: Monatsschrift des bayerischen Landesvereins für Heimatschutz 20, 92–111.

Landfester, Manfred (2014): Renaissance-Humanismus. Lexikon zur Antikerezeption. Stuttgart: J.B. Metzler.

Mitterwieser, Alois (1924): Die Herren der Grafschaft Neuburg am Inn. In: Monatsschrift des bayerischen Landesvereins für Heimatschutz 20, 145–146.