RTI: Zierbeschlag eines Gürtels aus Hilgartsberg

Für interaktive Lichtsimulation und Vergrößerung bitte zunächst auf die Glühbirne klicken, dann kann mit dem Mauszeiger der Lichteinfall verändert werden; zoomen mit den +/- Zeichen am Rand.

A. Objektbeschreibung

Objekt 47e
Objekt 47g

 

Bei den Objekten mit den Katalognummern 47e und 47g handelt es sich um kleine Zierstücke, die auf der Burgruine Hilgartsberg während Ausgrabungen zwischen 2005 und 2008 entdeckt wurden. Besitzer der beiden Objekte ist die Gemeinde Hofkirchen. Die Zierelemente stammen von einem Gürtel, wobei bekannt ist, dass das Objekt 47g eine Riemenzunge eines mittelalterlichen Gürtels darstellt.

Die Oberfläche der beiden Objekte ist matt und besteht aus Buntmetall. Des Weiteren sind deutliche Abnutzungs- und Alterungsspuren in Form von bräunlichen Verfärbungen vor allem an den Enden von Objekt 47g zu sehen. Objekt 47e weist eine Größe von 2,5cm x 0,8 cm auf und Objekt 47g, welches zwei Bestandteile hat, weist bei dem Größeren der beiden Maße von 4cm x 0,6cm und bei dem Kleineren 2,5cm x 1cm auf.

Wie bereits kurz erwähnt wurde, stellen beide Objekte Teile von Zierbeschlägen eines Gürtels dar. 47e ist ein längliches Objekt, das an den Seiten runde Einkerbungen besitzt, die an die Form eines Blattes erinnern. Diese haben unterschiedliche Größen, so kann man an den langen Seiten größere runde Einkerbungen erkennen und zwischen diesen immer wieder spitzere kleine Kerben. Das Objekt ist leicht gewölbt und hat auf dem Rücken zwei runde Ausprägungen und eine Erhebung, die den Verlauf des Rückens ziert. Was genau das Objekt darstellen soll, kann man nur mutmaßen, wahrscheinlich ist aber, dass es an einem größeren Kleidungsstück als Verzierung angebracht war. Dafür sprechen die zwei runden Befestigungsspuren an den Enden des Objektes, die möglicherweise eine Befestigung mit Nägeln andeuten. Die längliche Form des Objektes lässt vermuten, dass das Objekt Bestandteil eines Gürtels war.

Objekt 47g stellt eine Riemenzunge eines mittelalterlichen Gürtels dar und kann an das Ende des 14. Jahrhunderts datiert werden. 47g besteht aus zwei Teilen: Das kleine Teil, von dem ein Großteil abgebrochen zu sein scheint, weist rundliche Verzierungen auf und hat in der Mitte ein Blattmuster, welches nebeneinander fortgesetzt wird. Am großen Objekt lässt sich deutlich die Form einer Riemenzunge eines Gürtels erkennen. Die Gürtelschnalle, die auf der Abbildung von 47g ganz rechts zu sehen ist, grenzt an verschiedene Zierformen an. So hat das Objekt unter anderem runde, symmetrisch angeordnete Löcher, Erhebungen mit eingraviertem Design sowie kleine Einkerbungen, welche das Objekt zieren.

Die Riemenzunge dieses Objektes ist ziemlich klein und schmal und sie verfügt über einen Hakenverschluss, wobei Verschlussteile jedoch abgebrochen zu sein scheinen.

 

Kontextualisierung:

Beide Objekte können ins Mittelalter zurückdatiert werden, genauer genommen ans Ende des 14. Jahrhunderts. Bei Objekt 47g handelt es sich um eine Riemenzunge eines Gürtels, die einer Gürtelschnalle aus dem British Museum in London sehr nahekommt. Dabei handelt es sich um ein Objekt mit kastenförmigem Beschlag aus dem späten 14. Jahrhundert mit Mehrpässen in der Durchbruchstechnik. Bei besagtem Objekt (Kat.Nr. 150) handelt es sich um ein Objekt, das in einem Fundkomplex von Chalcis auf Euböa entdeckt wurde. Es weist wie das hier behandelte Objekte 47g eine unverzierte Bodenplatte, seitlich ausgeschnittene Vierpässe, eine eingeritzte Struktur und Blattmuster am Rande des Objektes auf (siehe folgende Abbildung).[1]

Objekt (Kat.Nr. 150) aus dem British Museum in London

Im Mittelalter zu Beginn des 14. Jahrhunderts verlor der Gürtel seine Funktion als „Gewandraffer“ und wurde alsdann nur noch als Modeaccessoire eingesetzt.[2] Ein Gürtel wurde als Luxusgegenstand angesehen, den nur wohlhabende Personen sich leisten konnten, um dadurch ihren Wohlstand zur Schau zu stellen und den Status des Trägers zu unterstreichen.[3] Daraus lässt sich folgern, dass auch der Gürtel des hier behandelten Objektes von einer Person aus gutem Hause getragen wurde, das heißt einer Person die der oberen Gesellschaftsschicht angehörte, da die einfache Gesellschaft nicht über die Mittel verfügte, sich ein solches Schmuckstück leisten zu können.

In den meisten Fällen wurde der Gürtel in dieser Zeit von beiden Geschlechtern an der Hüfte getragen, um aus modischen Gründen Kleidoberteil und Kleidrock voneinander zu trennen. „Diese Trageweise geht auf eine Innovation im Bereich der Rüstung zurück“[4] und diente der Akzentuierung der Hüfte, was der Mode dieses Zeitraumes entsprach. Der Gürtel als Demonstrationsobjekt besteht häufig aus hochwertigem Material, welches aufwendig verarbeitet wurde und oft aus einzelnen Metallgliedern bestand. Oftmals verfügten Gürtel auch über Besatzstücke aus beispielsweise Edelmetall oder Edelsteinen, welche als weitere Verzierungen verwendet wurden.[5]

Zu Ende des 14. Jahrhunderts kamen breite Gürtel in Mode und auch dünne Gürtel wurden auf Hüfthöhe getragen und stellten ein Symbol von Reichtum und Wohlstand dar.[6] Die Riemenzunge von Objekt 47g ist allerdings dünn und gehört damit nicht in die Kategorie der breiten Gürtel des späten 14. Jahrhunderts. Weiterhin verfügt das Objekt über Fragmente eines Hakenverschlusses, welcher im 14. Jahrhundert typisch war und am meisten verwendet wurde.[7] Diese Trageart des Gürtels nahm wahrscheinlich Einfluss aus Frankreich, wo zu Beginn des 13. Jahrhunderts locker fallende lange Gewänder in Mode kamen, die in der Mitte gegürtet wurden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Gürtel nur noch als Modeaccessoire und Schmuckstück in der Damenmode eingesetzt wurde und in der Herrenmode nicht mehr sichtbar zum Vorschein trat.[8]

 

B. Digitalisierungsprozess

Die Aufnahmen entstanden am 26.07.2018 im Digital Humanities Labor der Universität Passau. Dazu wurde der Raum abgedunkelt, sodass fast kein Tageslicht in das Labor gelangen konnte.

Folgendes Equipment wurde zur Digitalisierung benutzt:

  • Kamera: Canon EOS 100D mit 100mm Festbrennweiten-Objektiv
  • Reprostativ mit ca. 54cm Abstand von der Kamera zum Objekt
  • RTI-Drehteller mit LED-Taschenlampe
  • 2 Referenzkugeln (Durchmesser: 5mm)
  • Verbindungskabel zwischen Kamera und PC

Kameramodus und weitere Einstellungen:

  • Autofokus
  • ISO 100
  • Belichtungszeit 3,2 Sekunden
  • Blendenzahl F11, Brennweite 100mm
  • Weißausgleich: automatisch
  • Datenformat: JPEG
  • Auflösung: 5184 x 3456 Pixel
  • Fernauslöser via PC und Software Canon Utility

Aufnahmen:

Insgesamt wurden sowohl für Objekt 47e als auch für Objekt 47g jeweils 60 Fotos aus 5 verschiedenen Winkeln aufgenommen. Hierzu wurde die Kamera EOS 100D mit Festbrennweitenobjektiv 100mm am Reprostativ befestigt, sodass das Objektiv mit 54cm Abstand vertikal auf den Drehteller zeigte. Auf dem Drehteller befanden sich das Objekt sowie die 2 RTI-Referenzkugeln.

Anschließend wurde mit Hilfe des Dreharmes aus 5 Winkeln (60°, 50°, 40°, 30°, 20°) 12 Aufnahmen pro Winkel gemacht, wobei der Dreharm auf jeder Ebene um das Objekt gedreht wurde. Durch dieses Vorgehen konnten pro Objekt 60 Aufnahmen aus unterschiedlichen Winkeln mit unterschiedlichem Lichteinfall (pro Winkel) und aus 12 verschiedenen Positionen gemacht werden.

Der Aufnahmeprozess verlief ohne größere Schwierigkeiten.

 

Links ist der Equipmentaufbau von Objekt 47g zu sehen. Der Winkel des Dreharms beträgt hier 20°.

 

 

 

 

 

 

 

 

Modellerstellung:

Um letztendlich das RTI-Modell zu erzeugen, wurde die Software „RTI Builder“ in Version 2.0.2 benutzt. Die Aufnahmen wurden bei beiden Objekten nicht nachbearbeitet. Grundlage für die Modellerstellung waren pro Objekt 60 Aufnahmen. Um die 3D-Modelle mit genannter Software zu erstellen, wurden folgende Arbeitsschritte durchgeführt:

  1. Nach dem Hochladen der Bilder wurden die RTI-Referenzkugeln durch die Arbeitsschritte „Add Area“ und „Detect Spheres“ ausgewählt
  2. Danach wurden die Lichtstellen auf den RTI-Kugeln ausgewählt.
  3. Im nächsten Schritt wurden dann die Bilder durch „Use Crop“ zugeschnitten, sodass nur das Objekt selbst Gegenstand des Modells ist. Bei Objekt 47e geschah dies mit „Rectangular Crop“ und bei 47g mit „Free Crop“.
  4. Als Letztes wurde durch „Execute“ der Prozess der Modellerstellung ausgeführt und das fertige Modell konnte im RTI Viewer betrachtet werden.

Pro Modell betrug die Arbeitszeit mit dem „RTI Builder“ etwa 15 Minuten. Nachfolgend die Ergebnisse:

Screenshot von Objekt 47e in „Default“ Modus
Screenshot von Objekt 47e in Specular Enhancement Modus
Screenshot von Objekt 47e in „Normals Visualization“ Modus

 

Screenshot von Objekt 47g in „Default“ Modus
Screenshot von Objekt 47g in “Specular Enhancement” Modus
Screenshot von Objekt 47g in „Normals Visualization“ Modus

 

Beim Erstellen des RTI-Modells trat im letzten Schritt die Fehlermeldung „Improper call to JPEG library in state 200“ auf. Der Grund dafür war ein Leerzeichen im Namen des Ordners, der die Bilder speichert. Dieser Fehler konnte durch Umbenennung des Ordners schnell behoben werden.

 

C. Fazit/ Anwendungsvorschläge

Die 3D-Digitalisate der beiden Objekte können verwendet werden, um diese in einer digitalen Sammlung auszustellen, wie zum Beispiel dem Forum „bavarikon“, in dem Kulturgüter aus ganz Bayern online gespeichert werden.[9] Das dient der Kulturgutvermittlung und ermöglicht eine leichte Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit. Weiterhin fördert das 3D-Digitalisat die Anschaulichkeit des aufgenommenen Objektes, da man das Objekt drehen und wenden kann wie man möchte und gleichzeitig gewünschte Stellen vergrößern kann. Durch Belichtungsveränderungen des Digitalisats lässt sich die Struktur der Oberfläche des Objektes genauer betrachten, wodurch im Rahmen der Forschung eventuell Informationen über das Material und Einsatzzweck gewonnen werden können. Eine herkömmliche Abbildung lässt im Gegensatz zu diesen 3D-Digitalisaten Fragen bezüglich Details des Objektes offen, da bei dieser Darstellungsart beispielsweise interessante Stellen des Objektes nur qualitativ minderwertiger vergrößert werden können. Ein weiterer Vorteil des 3D-Digitalisats ist, dass man das Objekt nicht persönlich vor sich haben muss, um es betrachten zu können, sondern dass es durch das erstellte Modell beliebig oft verbreitet und beurteilt werden kann.

 

Referenzen:

[1] Fingerlin, Ilse: Gürtel des hohen und späten Mittelalters, S.370

[2] Schopphoff Claudia: Der Gürtel, Funktion und Symbolik eines Kleidungsstücks in Antike und Mittelalter, S.10

[3] Schopphoff Claudia: Der Gürtel, Funktion und Symbolik eines Kleidungsstücks in Antike und Mittelalter, S.23

[4] Kühnel, Harry: Kleidung und Gesellschaft im Mittelalter

[5] Schopphoff Claudia: Der Gürtel, Funktion und Symbolik eines Kleidungsstücks in Antike und Mittelalter, S.24

[6] Piponnier Francoise & Mane Perrine: Se vêtir au Moyen Âge, S.84

[7] Jörg Harder – Historische Archäologie, S.5

[8] Fingerlin, Ilse: Gürtel des hohen und späten Mittelalters, S. 9

[9] Siehe: https://www.bavarikon.de/