Software: Agisoft PhotoScan Professional (64 bit) Version 1.3.2
Das Modell wurde berechnet im Labor für Kulturgutdigitalisierung des Lehrstuhls für Digital Humanities mit folgender Rechnerkonfiguration: Intel Core2 Quad CPU / 4x 2.8GHz, Arbeitsspeicher: 8,00 GB, Windows 7 Pro/64Bit, Grafikkarte: NVIDIA GeForce GTX 750Ti mit 2048MB Speicher.
Anzahl der Aufnahmen für das zu erstellende Modell: 440
keine weitere Nachbearbeitung der Bilder
Nachjustierungen während des Erstellens in der Software? Nein, nur Entfernung von überflüssigen Bildpunkten
Vorgehen: Die Bilder wurden in einem einzigen Arbeitsschritt (Chunk) verarbeitet, da die Software so bessere Ergebnisse lieferte.
Die allgemeine Vorgehensweise wird durch den Workflow von Agisoft Photoscan Professional vorgeschlagen:
Workflow der Software
Add Folder/Add Photos Bilder hinzufügen aus Quelldatei. Für jedes Foto wird eine „Kamera“ für spätere Berechnungen erstellt.
Align Photos Ausrichten der Fotos. Erzeugen der dünnen Punktewolke. Die Genauigkeit „medium“ liefert schon gute Ergebnisse mit akzeptabler Rechenzeit.
Blaue Rechtecke stellen die erkannten Kamerapositionen dar.
Set Bounding Box Festlegen des Arbeitsbereichs. Weiteres irrelevantes Umfeld und störender Hintergrund wird ausgeblendet.
Restliche störende Bildpunkte können noch manuell mittels Rechteck- oder Freihandinstrument entfernt werden.
Build Dense Cloud Berechnung der dichten Punktewolke. Detaillierte Bildinformationen werden in das Modell integriert. Erneut können noch störende Bildpunkte manuell entfernt werden.
Build Mesh Erstellen der Struktur des 3D-Objekts mittels Polygonen. Einstellung Face count: „medium“ liefert akzeptable Ergebnisse.
Einstellung Interpolation: „extrapolated“ kann kleinere Löcher schließen.
Build Texture Textur aufbauen
Überlagerungsmodus: Mosaik
Detaillierte Farbinformationen des Originals werden in das 3D-Objekt eingefügt.
Export Model Modell exportieren
Eine Vielzahl von Grafikformaten zur Weiterverarbeitung werden unterstützt:
Wavefront OBJ
3DS file format
VRML
COLLADA
Alembic
Stanford PLY
STL
Autodesk FBX
Autodesk DXF (in Polyline or 3DFace representation)
Durch genügend viele, sich weit überlappende Fotografien aus den verschiedensten horizontalen und vertikalen Blickwinkeln konnte hier ein ansprechendes Modell erstellt werden. Störende Hintergrundinformationen wurden per Hand editiert und das Modell so bereinigt.
Das Objekt ist ein Gipsabguss (von 1996) einer gotischen Steinskulptur des Hl. Stephanus (um 1450), die sich in einer Wandnische über dem Südportal der Pfarrkirche in Aholming (Ldkr. Deggendorf) befindet.[1] Ursprünglich fungierte die originale Skulptur möglicherweise als „Schreinfigur eines steinernen Altaraufbaus”[2].
Die etwa 60cm hohe, 40 cm breite und 20 cm tiefe Gipskopie kann im Oberhausmuseum (Inv. Nr. 14624) in Passau besichtigt werden.
Die Skulptur zeigt den Hl. Stephanus auf einem Thron sitzend. Er ist an seinen Attributen, den drei Steinen und der Dalmatika (das liturgische Gewand eines Diakons) zu erkennen. Zusätzlich hält er in seiner linken Hand eine Palme, die ihn als Märtyrer auszeichnet. Sein Kopf wird von einem Nimbus bzw. Heiligenschein umfangen, dem typischen Erkennungsmerkmal eines Heiligen in der bildenden Kunst. Die engelsgleiche Lockenpracht die sein Haupt ziert ist einerseits ein Merkmal des Zeitstils (siehe weiter unten), andererseits könnten sie sich auch auf die Überlieferungen der Legenda Aurea von Jacobus de Voragine (siehe weiter unten) beziehen. Dort heißt es, dass Stephanus das Angesicht eines Engels hatte, vor dem seine Feinde erschrocken zurück wichen.[3]
Die Skulptur gilt aufgrund des lockigen Haars und der fließenden Gewandung als ein Spätwerk des „Weichen Stils” und wird demnach in Mitte des 15. Jahrhunderts datiert.[4] Der „Weiche Stil” bzw. der „internationale Stil” ist eine Bezeichnung für eine gotische Kunstrichtung die europaweit um 1400 aufzufinden ist.[5] Ein Hauptmerkmal dieses Zeitstils sind die fließenden Gewänder, die den menschlichen Körper durch aufwändige Gewanddrapierungen (wie bspw. Kaskaden-, Schüssel-, oder Haarnadelfalten) verbergen.[6] Dieses Phänomen wird an den sog. „Schönen Madonnen”, die sich außerdem durch einen starken Hüftschwung (S-förmige Körperlinie) und einen einheitlichen Gesichtsausdruck auszeichnen, besonders deutlich.[7]
Für einen Vergleich mit der Statue des Hl. Stephanus bietet sich hingegen eher eine sitzende Skulptur, wie beispielsweise die Pietà aus Lutin (um 1390) an.
Hierbei wird ersichtlich, dass der Faltenwurf (ab den Knien abwärts) der Pietà mit denen der Skulptur des Hl. Stephanus zu vergleichen ist.
Die Legende des Hl. Stephanus:
Nach der Auferstehung Christi wuchs die christliche Gemeinde weiterhin an woraufhin die Apostel sieben Diakone auswählten, die sowohl den Glauben verkünden als auch sich um die sozialen Bedürfnisse der Gemeinde kümmern sollten.
Unter den sieben Diakonen war Stephanus der Erste, der auserwählt wurde.[8] Da Stephanus erfüllt von der Gnade und Kraft Gottes „Wunder und große Zeichen unter dem Volk [tat]”[9] wurde er den Juden zum Ärgernis.
Sie verhafteten ihn und führten ihn zu einem Verhör vor dem Hohen Rat.[10] Seine Reden empörten die Juden jedoch so sehr, sodass sie ihn vor die Tore der Stadt zerrten, um ihn dort zu steinigen, wie es das jüdische Gesetz für Gotteslästerer vorsah.[11] Vor den Stadtmauern, sich seines baldigen Todes bewusst, rief Stephanus laut: „Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen”[12]. Daraufhin stürzten seine Feinde auf ihn los und bewarfen ihn mit Steinen. Daraufhin verstarb Stephanus als erster Märtyrer des Christentums mit den Worten „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! […] Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!”[13].
Die Legenda Aurea berichtet, dass es nach dem Tod des ersten Diakons auf seine Fürsprache hin zu zahlreichen Heilungen gekommen ist, woraufhin er als Heiliger verehrt wurde.[14]
Um 585 wurden die Gebeine des Hl. Stephanus durch Papst Pelagius II. von Konstantinopel nach Rom gebracht und in San Lorenzo fuori le Mura, neben den Leichnam des Hl. Laurentius begraben.[15] Beide Heiligen sind die Stadtpatrone Roms und gehörten zu den am meisten verehrten Märtyrern im Mittelalter.[16]
Der Hl. Stephanus und seine Bedeutung für das Bistum Passau
Der Hl. Stephanus hat eine besondere Bedeutung für das Bistum Passau, da er der Patron des Passauer Doms „St. Stephan” ist.[17] Demnach ist die Szene seiner Steinigung auch auf dem großen Deckengemälde im Chor des Passauer Doms zu sehen:
Das Patrozinium des Hl. Stephanus in Passau lässt sich womöglich auf die Missionsbewegung am Beginn des 7. Jahrhunderts zurückführen.[18] Hierbei wurde der Stephanuskult von Westen nach Osten verbreitet, wie es an den Stephanuskirchen in Konstanz, Weihenstephan (Freising), Regensburg und Passau abzulesen ist.[19]
Die frühsten, erhaltenen Nachweise für das Stephanuspatrozinium in Passau sind Schenkungsurkunden aus der Regierungszeit des Herzogs Hubert (727-737), die eine Kirche mit dem Patrozinium des Hl. Stephanus nennen.[20] Im Jahr 739 wurde diese Kirche zur Diözesankathedrale des Bistums Passau erhoben.[21]
Die weite Verbreitung des Stephanuskultes lässt sich auch an den etwa 100 Stephanuskirchen ablesen, die sich in dem Gebiet des ursprünglichen Bistums Passau (vor der Gebietsabtretung an die Habsburger) befinden.[22]
Der Passauer Dom gilt somit als „Ausgangspunkt eines Stephanuskultes, der jahrhundertelang bestimmend im Donauosten”[23] gewesen war und auf den auch das Patrozinium des Wiener Stephansdom zurückzuführen ist.[24]
Im Bezug auf die hier behandelte Skulptur des Hl. Stephanus ist allerdings von größerer Bedeutung, dass auch Aholming – der Ort, an dem sich die originale Skulptur des Hl. Stephanus befindet – unter dem direkten Einfluss des Passauer Doms stand. Walchoun de Auhaluinga (auch: Auhalmingen), auf den die Bezeichnung der Gemeinde als „Aholmig” zurück geht, war nämlich Passauer Ministeriale und sollte mit seinem Sitz in Aholming für die Sicherheit des Hochstifts Passaus im Nordwesten gegenüber dem Bistum Regensburg sorgen.[25]
Aufgrund dessen kann davon ausgegangen werden, dass die Steinfigur des Hl. Stephanus, den Gläubigen an die Zugehörigkeit zum Bistum Passau erinnern sollte.
[1] Objektkatalog Oberhausmusem Passau, Inv. Nr. 14624.
[2] Objektkatalog Oberhausmusem Passau, Inv. Nr. 14624.
[3] De Voragine, Jacobus, Die Legenda Aurea. Das Leben der Heiligen erzählt von Jacobus de Voragine. Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, Nachwort von Walter Berschin, Gütersloh 2014 (14. Auflage), S. 46. Siehe auch: Keller, Hiltgart L.: Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der bildenden Kunst, Stuttgart 1968, 3. Auflage, S. 469-470.
[4] Wildner, Wolfgang: St, Stephanus in Kunst und Verehrung. Ausst. Kat. Passau (Diözese Passau, St. Anna-Kapelle, 12. 05-08.06.1980), Passau 1980, S. 63, Kat. Nr. 74.
[5] Beck, Herbert, Bredekamp, Horst, Die internationale Kunst um 1400, in: Kat. Ausst. Kunst um 1400 am Mittelrhein. Ein Teil der Wirklichkeit. Ausstellung im Liebighaus Museum alter Plastik (Frankfurt am Main, 10.12.1975-14.03.1976), Frankfurt am Main 1975, S. 1-19, hier S. 1.
[6] Beck, Bredekamp 1975, S. 1, 5, 111. Näheres bezüglich verschiedener Faltenformen in der mittelalterlichen Kunst siehe: Kämpfer, Fritz: Das Faltenprofil der mittelalterlichen Plastik, Jena 1950.
[14] De Voragine 2014, S. 49-50. Die Legenda Aurea enthält die Lebensgeschichten und Legenden zahlreicher Heiligen und war das am weitesten verbreiteteste Buch des Mittelalters: „kein anderes Buch des Mittelalters ist so oft abgeschrieben, so viel übersetzt, ausgeschrieben, weiter- und umgedichtet worden. Sie war das wahre Volksbuch jener Zeit, weit mehr als die Bibel” (Richard Benz, Einleitung, in: Jacobus de Voragine, Die Legenda Aurea. Das Leben der Heiligen erzählt von Jacobus de Voragine. Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, Nachwort von Walter Berschin, Gütersloh 2014, S. IX-XXVIII, hier S. XXII).
[17] Die Nebenpatrone des Passauer Domes sind der Hl. Valentin und der Hl. Maximilian, die zudem auch Diözesanpatrone des Bistums Passau sind (Wildner 1980, S. 20).
[22] Wildner 1980, S. 12. Im heutigen Bistum Passau sind noch 27 Kirchen aufzufinden, die ein Patrozinium des Hl. Stephanus tragen (Wildner 1980, S. 22).
[26] Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Bayern II: Niederbayern, München, Berlin 1988, S. 10.
B. Digitalisierungsprozess
Die Aufnahmen wurden am 29.07.2018 in einem Ausstellungsraum des Oberhausmuseums in Passau von zwei Kursteilnehmerinnen mit Unterstützung der Kursleiterin Magdalena März gefertigt.
C. Equipment
Folgende Gegenstände wurden für die Digitalisierung des Objekts verwendet:
Kamera 100 EOS D
Zoomobjektiv 18-55cm, hier: 55cm
Aufnahmen mit Stativ ohne zusätzliche Beleuchtung (nur indirekte, gelbliche Raumbeleuchtung)
Laptop für die Kamerabedienung per Fernauslöser
Verbindungskabel (Laptop-Kamera)
D. Aufnahmen
Die Aufnahmen wurden mit folgenden Kameraeinstellungen gefertigt:
Modus: Fernauslöser, Autofokus
Blende: 11
Belichtungszeit: 3,2 sek.
Iso 100
Brennweite: 55cm
Weißabgleich: automatisch
gespeichert als jpeg-Datei
Das Objekt befindet sich auf einem festpositionierten Podest, nahe an der Wand des Ausstellungsraums, sodass keine Fotografien von Rückseite des Objekts gemacht werden konnten.
Um das Objekt von den Seiten und von vorne zu fotografieren, wurde das Stativ mit der Kamera halbkreisförmig um das Objekt herum bewegt. Hierbei wurden Aufnahmen gemacht bei der die Kamera an jedem Standpunkt sowohl frontal auf das Objekt gerichtet war, als auch diagonal auf die angrenzenden seitlichen Objektbereiche. Da die Fotos per Fernauslöser mit dem Laptop gemacht wurden, konnten bei einigen Kamerapositionen zusätzlich 2-3 Aufnahmen mit verschiedenen Fokussierungen (z. B. auf zurückliegende oder vorspringende Objektebenen) gemacht werden. Nachdem alle Positionen auf dem Halbkreisbogen abgefertigt waren, wurde die Kamera bzw. das Stativ in der Höhe verstellt, sodass die nächste Objektebene aufgenommen werden konnte. Hierbei musste man jedoch darauf achten, dass sich die Aufnahmen zu einem gewissen Teil überschneiden, damit die Software die Fotos später zusammen fügen kann.
Schlussendlich ergaben sich bei 18 Objektebenen plus diverse Extraaufnahmen (v. a. aus Frosch- und Vogelperspektive, bei Durchbrüchen oder Hohlräumen) 440 Aufnahmen des Objekts.
E. Modellerstellung
Das Modell wurde mit der Photogrammetriesoftware „Agisoft PhotoScan” gefertigt.
Für die einzelnen Arbeitsschritte siehe den Blogeintrag „Photogrammetrie: Gipsplastik des Hl. Stephanus Teil II.”
F. Fazit
Das fertige Modell ermöglicht eine 3D-Ansicht der Statue, obwohl sich der Betrachter nicht an dem Aufbewahrungsort selbst befindet. Leider war es in diesem Fall nicht möglich, dass Objekt von allen Seiten zu fotografieren, sodass die Rückenansicht fehlt. Diese wäre besonders interessant zu beobachten, da es sich bei der Skulptur um eine Nischenfigur handelt und der Betrachter – im Unterscheid zu einer Fotografie des Objekts – durch das Modell neue Erkenntnisse über das tatsächliche Volumen und die Rückenansicht der Skulptur bekommen würde. Wie die Seitenansicht des Modells zeigt, ist dies hier nur zum Teil möglich. Dennoch ist deutlich zu erkennen, dass der Künstler die Rückseite nicht weiter bearbeitet hat. Durch das 3D-Modell erschließen sich außerdem neue, ungewöhnliche Ansichten, wie bspw. aus der Frosch- oder Vogelperspektive.
G. Literaturverzeichnis
Beck, Herbert, Bredekamp, Horst, Die internationale Kunst um 1400, in: Kat. Ausst. Kunst um 1400 am Mittelrhein. Ein Teil der Wirklichkeit. Ausstellung im Liebighaus Museum alter Plastik (Frankfurt am Main, 10.12.1975-14.03.1976), Frankfurt am Main 1975, S. 1-19.
Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Bayern II: Niederbayern, München, Berlin 1988.
De Voragine, Jacobus, Die Legenda Aurea. Das Leben der Heiligen erzählt von Jacobus de Voragine. Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, Nachwort von Walter Berschin, Gütersloh 2014 (14. Auflage).
Georg Loibl, Die Pfarrei Aholming mit ihren Kirche und Kapellen, Aholming 1994.
Keller, Hiltgart L.: Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der bildenden Kunst, Stuttgart 1968, 3. Auflage, S. 469-470.
Objektkatalog Oberhausmusem Passau, Inv. Nr. 14624.
Wildner, Wolfgang: St, Stephanus in Kunst und Verehrung. Ausst. Kat. Passau (Diözese Passau, St. Anna-Kapelle, 12. 05-08.06.1980), Passau 1980.